Montag, 4. August 2014

Gastbeitrag von Prof. Baldur Kirchner: Das Premium-Symptom

Geschätzte Anhänger des Sprachbloggers,

mit großem Stolz kündigt heute der Sprachblogger seinen ersten Gastbeitrag an. Ja, so darf es in der Tat bezeichnet werden, auch wenn es sich "nur" um die Zusammenfassung eines Essays von Prof. Baldur Kirchner handelt. Das Thema dieses Essays lautet "Das Premium-Symptom", erschienen in der Juli-Ausgabe des Rundbriefes von Kirchner-Seminare (zur Anmeldung hier klicken):


Die sprachliche Steigerungsspirale, mit der die Wertigkeit von Produkt und Mensch beschrieben wird, scheint sich gegenwärtig in eine geradezu neurotische Entgrenzung emporzuwinden. Da fliegt die „Premium Economy Class der Lufthansa“ durch die Atmosphäre; das „Premium-Antriebssystem für E-Bikes von Continental“ hilft zu rascherem irdischen Fortkommen; die „Premium-Tarife von T-Mobile, Vodafone und E-Plus“ ermuntern zu mehr elektronischer Kommunikation; die „Premiumdepots einiger Banken“ verhelfen zu vorzüglicheren Gewinnen; und „Das Lehmbruck-Museum ist jetzt Premium Location der FSGG“. Schließlich breitet sich in so mancher innerbetrieblichen Bewertungslandschaft sogar die Bezeichnung „Premium-Team“ für besondere Leistungen aus. Nach „Premium“- Gesichtspunkten werden Kunden klassifiziert und somit in soziale Kategorien eingestuft, von denen weitere Umgangsformen abhängen. Von den Premium-Biersorten und den Premium-Automobilen gehen ohnehin schon seit Langem beglückende Impulse in die Herzen und Märkte der Verbraucher aus. In vielerlei Hinsicht also ist das „Premium-Symptom“ mit seiner kollektiven Präsenz inzwischen gesellschaftlich institutionalisiert als ein Indikator für das Bestreben nach Spitzenleistung und Erstklassigem. 

Zu Recht wählte der „Stern“ vor einiger Zeit die Artikelüberschrift „Premium-Trick“, um den manipulativ-suggestiven Charakter vieler Marktstrategen zu entlarven. Wenn beinahe alles Angebotene „Premium“ ist, scheint der Verlust des Besonderen kaum noch aufhaltbar zu sein. Was sich einstmals als hervorragende und beste Qualität manifestieren sollte, verschwindet nun, weil elegant profillos geworden, im anonymen Schlund einer ungeschminkten Sprachschablone! So wird das Einmalige und Ungewöhnliche, das ein Produkt ausgezeichnet hat, von einer hohl gewordenen Profanität unterwandert. 


Und was folgt nach der Premiumhysterie? Wo endet der Steigerungswahn?

Das Premium-Symptom offenbart allerdings noch mehr als nur den töricht einseitig formulierten Wunsch nach Marktbeherrschung und Werbegaukeleien. Es verdeutlicht die bedrohliche Tendenz, dass im Wertespektrum des Zeitgeistes vor allem dem Super, dem Darüber, dem Oben, dem Nachoben und dem Höchststreben eine besondere, oftmals auch die größte Bedeutung beigemessen wird. Wo sich z. B. Eltern durch ihre Vorzeigekinder, eben die Premiumkinder, in ihrem eigenen Selbstwert definieren, werden sich beim geringsten kindlichen Leistungsabfall Frustration und Ansehensverlust (Staehelin) einstellen. Dabei darf wohl jeder Mensch, also auch ein Kind, seine für andere unverfügbare Innenwelt bewohnen, um sich jenem Selbsterleben hinzugeben, das sich einem Leistungszwang entzieht!



Soweit Prof. Kirchner zum Umgang mit dem Wort Premium.

Der Sprachblogger meint: dieser Beitrag ist ein Premium   ähhh... hervorragender Beitrag für das Anliegen, Bewußtsein für den Umgang mit der Sprache zu schaffen.

Insofern wünscht Ihnen der Sprachblogger eine gute Woche, in der Sie viele schöne Erlebnisse haben und Sie sich wohl fühlen. Wenn das alles in Erfüllung geht, wäre das ja Premium, oder?
Sebastian Kirchner

PS: Gerne veröffentlichen wir hier auch weitere Gastkommentare.







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